Moabiter Werder

Der Moabiter Werder bezeichnet das Gebiet nörd­lich der Spree, wenn sie am Haupt­bahnhof vorbei ist. Er beginnt an der Molt­ke­brücke und geht bis gegen­über des Schlosses Bellevue. Im Westen wird er begrenzt durch die Paul­straße, im Norden durch die Trasse der Stadt­bahn und die Straße Alt-Moabit. Tatsäch­lich ist dies auch der älteste genutzte Teil Moabits. Ursprüng­lich waren es Wiesen und Brach­land, im 17. Jahr­hun­dert Teil des König­li­chen Jagd­ge­biets Tier­garten. Am anderen Spree­ufer amüsierten sich die Berli­ne­rInnen schon vor 300 Jahren in den „Zelten“.

Auf dem Werder mit seinem moras­tigen, teils auch sandigen Boden, sollten aus Frank­reich geflüch­tete Huge­notten Maul­beer­bäume zur Seiden­pro­duk­tion anbauen. Doch hier wuchs kaum etwas und schon gar nicht die empfind­li­chen Maul­beer­bäume. Statt­dessen nutzte im 18. Jahr­hun­dert dann die nahe Pulver­fa­brik die Wiesen. Als die Pulver­pro­duk­tion um 1830 nach Spandau verlegt wurde, siedelte sich auf dem Werder u.a. eine Schiffs­werft an. Mit der zuneh­menden Indus­tria­li­sie­rung und dem Bau des Lehrter Bahn­hofs entstand auf einem großen Teil des Moabiter Werders der Lehrter Güter­bahnhof. Bis heute sind Reste davon erkennbar, u.a. die Durch­fahrten unter­halb der Straße Alt-Moabit.

Als Teil davon entstand der Frei­lade- und Zoll­bahnhof (später: Güter­bahnhof Spree­ufer), daneben der Zoll­packhof. Um die tech­ni­schen Voraus­set­zungen für den Waren­um­schlag vom Wasser auf die Schiene zu schaffen, wurde das Spree­ufer umge­baut. Es wurde durch­ge­hend befes­tigt und erhielt Lade­straßen, die bis heute exis­tieren.

Während des Zweiten Welt­kriegs gab es auf dem Bahn- und dem Packhof-Gelände schwere Bomben­schäden, ein Groß­teil wurde abge­rissen. Ab Anfang der 1960er Jahre nutzten vor allem Spedi­tionen den Werder, die größte war die Firma Hama­cher. Deren Haupt­ge­bäude nahe der Paul­straße ist noch erhalten. Diese Spedi­tion war seit 1881 die Firma Brasch & Rothen­stein und hatte ihren Sitz nur wenige Meter weiter in der Lüne­burger Straße. 1936 wurden die jüdi­schen Besitzer enteignet, Harry W. Hama­cher über­nahm die Firma und führte sie ab 1940 unter seinem Namen weiter. Rund um das Spedi­tions- und Lager­haus­ge­lände gab es viel Brach­land. Das wurde frei­ge­halten, um es später als Teil einer geplanten Auto­bahn zu nutzen.

Nach der Mauer­öff­nung änderte sich alles. Plötz­lich lag das Gelände nicht mehr irgendwo am Rande, sondern nahe des späteren Regie­rungs­vier­tels. Nach dem Beschluss, dass Regie­rung und Parla­ment nach Berlin ziehen, wurde der Moabiter Werder neu verplant. Im südli­chen Teil entstand die soge­nannte „Bundes­schlange“ – ein gewun­denes Wohn­haus, das vor allem für Minister, Abge­ord­nete und ihre Mitar­bei­te­rInnen vorge­sehen war. Da die rund 500 Wohnungen aber nicht mal über Balkons verfügten, konnten sie jahre­lang nicht voll vermietet werden.

Direkt im Anschluss an die „Schlange“ befindet sich heute das west­liche Ende des Kanz­ler­gar­tens mit seiner hohen, abwei­senden Mauer. Im Jahr 2015 zog dann auch das Bundes-Innen­mi­nis­te­rium auf den Werder. Es zeichnet sich vor allem durch seine wuch­tige Archi­tektur mit neun Gebäu­de­flü­geln aus, die von der Straße zur Spree hin immer höher werden. Das ehema­lige Hama­cher-Gebäude wurde zu einer Grund­schule umge­baut. Und auch für Spazier­gän­ge­rInnen ist der Moabiter Werder mitt­ler­weile inter­es­sant. Die eins­tige Lade­straße an der Spree ist zu einem Uferweg geworden, als Teil eines kilo­me­ter­langen Weges am Fluss entlang. Auf dem Werder trägt er den Namen des Sexu­al­for­schers Magnus Hirsch­feld. Zusätz­lich gibt es auch Wegver­bin­dungen zum ULAP-Park und Haupt­bahnhof sowie zur Gast­stätte Zoll­packhof.

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