Verdrängung im Kiez

Das Haus Alt-Moabit 105, kurz vor der Kirch­straße, ist ein typi­sches Moabiter Fabrik­ge­bäude: Vorn ein Wohn­haus, in den Seiten­flü­geln und Hinter­häu­sern waren Fabrik­etagen über­ein­ander gesta­pelt, außen ein Lasten­fahr­stuhl. Unter anderem befand sich dort seit dem Jahr 1900 bis zu ihrer „Arisie­rung“ durch die Nazis die jüdi­sche Buch­dru­ckerei Rosen­thal & Co. Noch ein halbes Jahr­hun­dert später wurden in diesen Etagen Bücher gedruckt.

In den vergan­genen Jahr­zehnten wurden das Fabrik­ge­bäude von verschie­denen Gewer­be­mie­tern wie einer Tisch­lerei genutzt. Außerdem war hier mit über 30 Jahren das älteste Obdach­lo­sen­heim Moabits.
Seit dem Verkauf des Hauses 2016 wurden die Gewer­be­teile syste­ma­tisch entmietet. Auch die rund 100 Bewoh­ne­rInnen des Wohn­heims mussten wieder auf die Straße oder sich andere Wohn­heime suchen.

Zurzeit beginnt der vorerst letzte Akt der Gentri­fi­zie­rung: Nach der Verdrän­gung wird der Fabrik­kom­plex zu einem „Office Loft“-Gebäude umge­baut. Auf der Website „Loft Berlin“ werden vom Eigen­tümer Covivio alle mögli­chen Klischees bedient, wie der junge bärtige Typ mit Männer­dutt, der sein Rennrad durch die offene Büro­etage schiebt. Oder die hippen Ange­stellten, im Sonnen­stuhl auf dem Hof oder an der Tisch­ten­nis­platte.
Kein Wort davon, dass dieses neue „Projekt“ zahl­rei­chen Menschen den Schlaf­platz und anderen den Arbeits­platz genommen hat.

Quelle u.a.: moabit​.crowdmap​.com/​r​e​p​o​r​t​s​/​v​i​e​w/418

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