Die Zille-Siedlung hat so gar nichts mit dem Milieu zu tun, das ihr Namensgeber Heinrich Zille in den ersten drei Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts zeichnete und vorher bereits fotografierte: Die Menschen in beengten, feuchten Wohnungen, dunkle Höfe, große Armut. „Zilles Milljöh“ nannte man das, und viele kritisierten diesen Begriff, weil sie darin eine Verherrlichung oder Verharmlosung der damaligen Lebensverhältnisse sahen.
Warum die Siedlung seinen Namen erhielt, steht leider auch nicht in diesem Büchlein, das zu Zilles 50. Todestag im Jahr 1979 erschienen ist. Und das in Aussicht auf die zwei Jahre später fertiggestellte Wohnsiedlung herausgegeben wurde. Darin sind sowohl einige von Zilles Zeichnungen abgedruckt, als auch Bilder von Gerhard R. Hauptmann, die er in den 1970er Jahre malte. Moabiter Motive. Vor allem aber findet man zeitgenössische Fotos, die das Moabit 30 Jahre nach Kriegsende darstellen, Kiezleben.
Die 50-seitige Broschüre erweckt ein bisschen den Eindruck, als wolle sie den potenziellen BewohnerInnen der Zille-Siedlung den Stadtteil schmackhaft machen. Nachdem das Leben Heinrich Zilles vorgestellt wurde, werden Grundrisse, Musterzeichnungen und Baustellenfotos der geplanten Siedlung gezeigt. Auch auf die Entwicklung der nahen Blöcke zwischen Rathenower und Bandelstraße wird eingegangen, die damals Sanierungsgebiet waren. Erklärt wird auch, warum die Pritzwalker Straße ein „Woonerf“ ist – sie wurde damals so geplant, dass nicht das Auto der bestimmende Part sind. Wirklich geklappt hat das dann nicht, eher aber schon in der Zille-Siedlung selbst.
Das Büchlein „Moabit Milieu Zille“ ist ein nicht uninteressantes Sammelsurium, das einen ungewöhnlichen Einblick in eine Zeit bietet, als die Entwicklung eines Kiezes neue Wege ging.