
Im Oktober 2006 wurde gegenüber des Hauptbahnhofs der Geschichtspark “Ehemaliges Zellengefängnis Moabit” eröffnet. Nach drei Jahren Bauzeit entstand aus der ehemaligen Lagerstätte des Tiefbauamts ein Gedenkort, der unter anderem aus der einstigen Gefängnismauer besteht. Im Inneren sind die Gefängnisbauten verschwunden, abgerissen 1958, nachdem die Alliierten sie noch zehn Jahre lang genutzt hatten.
Der Geschichtspark kennzeichnet die Ausmaße des Baus durch Steinreihen, auch die Form und Größe der Höfe sind nachvollziehbar. Eine Zelle wird in ihrer ursprünglichen Größe durch Betonwände nachgebildet. Wenn man sie betritt, startet ein akustisches Feature, mit einem Beitrag über Haushofer und die Haft in diesem Gefängnis.
Das Zellengefängnis Lehrter Straße war als eines der berüchtigsten Knäste Berlins bekannt. Bereits vor Fertigstellung des Gesamtbaus wurde 1847 im Kirchensaal der sogenannte „Polenprozess“ gegen 256 polnische Separatisten geführt. Zwar wurden neben Freiheits- auch Todesstrafen verhängt, jedoch nicht vollstreckt.
Anfangs galt die Haftanstalt noch als Mustergefängnis: Nach einer von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen eingeleiteten Gefängnisreform sollten die Häftlinge nicht länger in Gemeinschaftssälen, sondern isoliert in Einzelzellen untergebracht werden. Diese ca. 520 Zellen lagen in vier der fünf strahlenförmig angelegten Gebäude, die von der Mitte aus kontrolliert werden konnten. Zwischen den Flügeln gab es drei Rundhöfe, die ebenfalls in Zellen unterteilt waren und in denen die Häftlinge Hofgang hatten. Heute nennt man sowas Isolationshaft.
Einer der bekanntesten Insassen war Wilhelm Voigt, der einstige “Hauptmann von Köpenick”. Immer wieder wurden in dem Komplex aber auch politische Gefangene eingesperrt.
Ab 1933 wandelte sich das Gefängnis zum Symbol für politische Unterdrückung, Folter und Mord. Zahlreiche Systemgegner wurden dort inhaftiert, u.a. Wolfgang Borchert, Ernst Busch, Erich Mühsam, Klaus Bonhoeffer, Erich Honecker sowie Albrecht Haushofer, der hier seine “Moabiter Sonetten” verfasste. Wenige Tage vor der Befreiung vom NS-System ist er mit anderen Nazigegnern nachts vom Gefängnis zum nahen Ausstellungsgelände ULAP gebracht und dort erschossen worden.
“Es gibt wohl Zeiten, die der Irrsinn lenkt. Dann sind’s die besten Köpfe, die man henkt.”
(Haushofer)
Ein Teil des Komplexes wurde seit dem Attentat auf Hitler im Sommer 1944 von der Gestapo genutzt. Zahlreiche vom Volksgerichtshof zu hohen Haftstrafen oder zum Tod Verurteilte, denen man eine Beteiligung am Umsturzversuch vorwarf, waren im Zellengefängnis inhaftiert. Viele wurden von dort auch in Konzentrationslager deportiert.
Nach der NS-Zeit sind die nicht zerstörten Gebäude noch bis 1955 von den Alliierten genutzt worden. Dort fanden auch mindestens zwölf Hinrichtungen statt. Das Gelände des heutigen Geschichtsparks ist nach außen abgeschlossen, zu drei Seiten steht die alte, sanierte Gefängnismauer. Darauf ein Zitat aus den Sonetten: “Von allem Leid, das diesen Bau erfüllt, ist unter Mauerwerk und Eisengittern ein Hauch lebendig, ein geheimes Zittern”. Nördlich davon gibt es noch drei Wohnhäuser, die ursprünglich für die Wärter errichtet worden waren. Dahinter befindet sich ein kleiner, verwunschener Friedhof, auf dem liegen einstige Wärter. Auf dem ehemaligen Gefangenenfriedhof direkt daneben verbringen heute Kleingärtner ihre freie Zeit.
Dort wo in der Lehrter Straße einst der Haupteingang des Gefängnisses lag, versperrt nun ein Wohnhausriegel den Zugang zum Gelände.
Fotos: (1) Oana Popa, CC-BY-SA 4.0, (2) Christopher Schmult