Die Brücken von Moabit

Als im Mai 1945 der Krieg vorbei war, hatten die Moabiter ein Problem: Sie waren vom Rest der Stadt nahezu abge­schnitten, denn die meisten Brücken waren zerstört. Und da Moabit komplett vom Wasser umgeben ist, mussten anstelle der Brücken quer­ge­stelle Last­kähne als Über­gänge für die Bevöl­ke­rung dienen.
ücken wieder verfügbar, in den 50ern kamen mehrere Neubauten dazu. Andere wurden durch Fußgän­ger­brü­cken ersetzt.
Heute ist Moabit über 25 Brücken mit dem „Fest­land“ verbunden. Die meisten davon dienen natür­lich dem Stra­ßen­ver­kehr, sechs sind jedoch Fußgän­gern vorbe­halten (davon eine allein dem jeweils amtie­renden Bundes­kanzler und seinen Gästen), auf fünf Brücken fahren nur die Züge der S- und Eisen­bahn.
Beginnen wir mit einer Brücken­tour, rund um Moabit! Diese Tour macht man am besten mit dem Fahrrad, ansonsten sollte man gut zu Fuß sein oder sich einen Schlaf­sack mitnehmen.

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Wir beginnen an der Grenze zum Wedding. Bevor wir die erste Brücke über Wasser errei­chen, über­queren wir die wesent­lich längere Putlitz­brücke. Unter uns die Schienen am Rande des Güter­bahn­hofs und der S‑Bahnhof West­hafen. Vorbei am Kraft­werk Moabit kommen wir an die Föhrer Brücke. Sie führt über den Span­dauer Schiff­fahrts­kanal. Auf seiner Weddinger Seite radeln wir ostwärts, vorbei an schönen Wohn­häu­sern, bis zum Torf­stra­ßen­steig. Ursprüng­lich führte hier die Straße über eine breite Brücke weiter nach Moabit. Mitt­ler­weile endet die Straße jedoch im Wedding; der Steg dient heute vor allem dazu, die Auslän­der­be­hörde zu errei­chen.
Ein Stück­chen weiter durch­queren wir einen kleinen Park. Über uns die im Juni 2002 wieder in Betrieb genom­mene Ring­bahn­brücke, hier fährt die S‑Bahn zwischen West­hafen und Gesund­brunnen. Nur wenige Meter weiter und noch zehn Meter höher schlän­gelt sich die schlanke geschwun­gene Trasse der Fern­bahn über unseren Köpfen: Seit 2006 fährt hier die Bahn vom Haupt­bahnhof Rich­tung Gesund­brunnen.
Direkt dahinter die Fenn­brücke, an der wir auf die andere Stra­ßen­seite wech­seln. Hier beginnt der Nord­hafen, ein Anle­ge­steg für Ausflugs­dampfer ist heute noch in Betrieb. Die Angler sitzen auf beiden Seiten des Kanals, es ist die Illu­sion von Ruhe inmitten des tosenden Verkehrs. Über den Hafen spannt sich die Nord­ha­fen­brücke, ein mäch­tiges Bauwerk, unter dem wir unten durch fahren. Hier kommen wir ins ehema­lige Grenz­ge­biet, der Weg und die komplette Ufer­seite sind erst nach dem Fall der Mauer ange­legt worden. Genau wie die Kieler Brücke, ein Fußgän­ger­steg, der zum Gewer­be­ge­biet Heide­straße führt.
Nach der Kieler Brücke bleiben wir noch immer auf der nörd­li­chen Seite des Kanals. Im Sommer liegen hier die Sonnen­hung­rigen, während sich links von uns der Inva­liden-Friedhof und anschlie­ßend das Bundes­mi­nis­te­rium für Wirt­schaft hinziehen. Im älteren Teil des Gebäudes befand sich einst das Inva­li­den­haus – gebaut auf Order des Alten Fritz.

An der Sand­krug­brücke stoßen wir auf die Inva­li­den­straße. Hier endet der Kanal, auf der anderen Seite der Straße liegt der Humboldt­hafen, dahinter die Charité. Quer über dem Hafen führt die Strecke der Eisen­bahn und der Stadt­bahn auf der Humboldt­ha­fen­brücke. Nur wenige Meter entfernt liegt die 2005 errich­tete Hugo-Preuß-Brücke, sie über­quert die Zufahrt zum Humboldt­hafen.
Wir umrunden den Haupt­bahnhof und errei­chen die Gustav-Heine­mann-Brücke, über die Fußgänger vom Washin­ton­platz über die Spree zur Rasen­an­lage an der Schweizer Botschaft oder weiter zum Reichstag kommen. 200 Meter weiter, von der Molt­ke­brücke, haben wir einen klasse Blick auf den Haupt­bahnhof, aber auch – zur anderen Seite hin – auf das Bundes­kanz­leramt. Hier sehen wir auch die Fußgän­ger­brücke über die Spree, die die beiden Teile des Kanz­ler­gar­tens mitein­ander verbindet. Der Kanz­ler­steg ist jedoch für Nicht­bun­des­kanzler extrem schwierig zu errei­chen...
Statt­dessen fahren wir nun ein Stück­chen nach Moabit rein, nach etwa 150 Metern geht es links durch­Brach- und Bauland „Schlange“. Angeb­lich haben „die Berliner“ ja für allerlei Gebäude einen Spitz­namen, aber ich habe noch nie von einem Berliner z.B. den Begriff „Schwan­gere Auster“ gehört, nur von Touristen, Touris­ten­füh­rern oder in einigen Medien, die einem Berlin erklären wollen. Die „Schlange“ gehört jeden­falls in diese Kate­gorie, wahr­schein­lich nennt niemand den schlan­gen­artig gewun­denen Neubau an der S‑Bahntrasse so, der nach Süden hin von der Spree begrenzt wird.Auf der anderen Seite die angeb­liche Auster, „Haus der Kulturen derWelt“, zu West-Berliner Zeiten noch Kongress­halle, damals noch mit „ß“.
Hinter dem Schlan­genbau liegt die Luther­brücke, wohl die schönste Brücke Moabits. „Unsere“ Seite ist im Sommer von sich bräu­nendem Volk besetzt, gegen­über steht das Schloss Bellevue – wahr­lich eine schöne Aussicht.

Etwas weiter rumpelt über uns wieder die Bahn, die Brücke am Bahnhof Bellevue liegt auf der Strecke zwischen Lehrter und Bahnhof Zoo. Den Geri­ckesteig, über den man direkt den Bahnhof Bellevue erreicht, muss man erstmal ersteigen: Auf beiden Seiten führen Treppen auf die alte Fußgän­ger­brücke. Wer mit dem Fahrrad rüber will hat ein Problem. Oder er fährt weiter zur Moabiter Brücke. Der Anfang der Kirch­straße wird von Bären bewacht, die an allen Ecken des Über­gangs stehen.
Wir fahren auf der südli­chen Seite des Flusses, gegen­über das Innen­mi­nis­te­rium neben den letzten Gebäuden der eins­tigen Bolle-Meierei. Im angren­zenden Gewer­be­park sitzen vor allem Soft­ware- und Compu­ter­firmen. Die Lessing­brücke wird durch ihren breiten Bogen domi­niert, auf ihr nimmt der Auto­ver­kehr auch nachts kaum ab.
Wir bleben weiter auf unserem Weg, direkt am Wasser unter­queren wir als nächstes die Hansa­brücke. Erst am Wullen­we­ber­steig, der nur für Fußgänger passierbar ist, betreten wir wieder Moabit. An der Spree entlang, neben uns verläuft das Wikinger-Ufer, kommen wir an der Erlö­ser­kirche zur Gotz­kow­sky­brücke mit ihrem kleinen Torbogen.

Jetzt müssen wir erstmal das Wasser verlassen. Würden wir auf der Char­lot­ten­burger Seite weiter­fahren, hätten wir keine Chance mehr, Moabit zu errei­chen, also müssen wir nach rechts und an der Kaiserin-Augusta-Allee nach links. Nach der Einmün­dung der Beus­sel­straße könnten wir wieder ein Stück­chen an der Spree entlang fahren, aber es nützt uns nichts, denn bald müssen wir doch wieder auf die Straße. Sie führt zur Kaiserin-Augusta-Brücke, die unter sich nur einen schmalen Durch­lass für den Char­lot­ten­burger Verbin­dungs­kanal offen lässt. Ein Dampfer würde hier kaum durch­passen.
Auf der neuen Ufer­pro­me­nade kommen wir zur Sickin­gen­brücke, einem häss­li­chen Stahl­be­tonbau, bei dem wir eigent­lich nach rechts Rich­tung Beus­sel­straße abbiegen müssten. Aber wir fahren den Kanal weiter, bis über uns auf der Verbin­dungs­kanal-Bahn­brücke die Gleise der Ring­bahn liegen, rechts sehen wir schon die Rück­seite des Groß­markts.
Zurück zur Sickin­gen­straße, dann ein langes Stück Rich­tung Osten und links in die Beus­sel­straße einge­bogen. Hier führt die Beus­sel­brücke über die Gleise, der Groß­markt auf der linken Seite und der West­hafen auf der rechten domi­nieren die Gegend. Die Verlän­ge­rung der Beus­sel­straße über­quert den West­ha­fen­kanal über die Ludwig-Hoff­mann-Brücke. Diese wird dem großen Archi­tekten nicht gerecht, der unter anderem das Märki­sche Museum gebaut hat. Aber sie ist schon die letzte der 25 Brücken unserer Tour.
Entlang der Seestraße und dem Neuen Ufer gibt es keine Möglich­keit mehr, den Span­dauer Schiff­fahrts­kanal zum West­hafen in Moabit zu über­queren – die nächste Brücke ist erst wieder die Föhrer, wo unsere Fahrt begonnen hat.

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