Das Tor nach Moabit

Es gibt viele Wege nach Moabit, so etwa zwanzig. Der Beein­dru­ckendste aber ist meiner Meinung nach der über die Putlitz­brücke.
Auf dem Weg vom Wedding verlässt man bald bewohntes Gebiet. Rechts das Virchow-Kran­ken­haus, links das Robert-Koch-Institut, ist es, als liefe man auf eine andere Stadt zu. Vor einem nur das Kraft­werk, das Haus der Behin­derten-Werk­stätten, daneben die Gebäude des West­ha­fens.
Dahinter sieht man nichts mehr, denn wie eine Zugbrücke hebt sich die Putlitz­brücke nach oben, versperrt den Blick auf das, was auf der anderen Seite liegt.

PKWs schieben sich erst vom Nord­ufer und danach von der Tank­stelle hinein. Gerade noch steht man auf der Föhrer Brücke, schaut nach Süden, wo man Moabit erahnt, aber doch nicht sieht. Man möchte diesen Ort nicht „Tor nach Moabit“ nennen, weil er so unwirk­lich ist. Volle Stra­ßen­spuren, in denen die rasenden Autos die Motor­roller zur Seite drängen. Aus dem Gewer­be­ge­biet links kommen LKWs, noch viel mehr aus der Ausfahrt des West­ha­fens. Schwer­last­trans­porter, die Müll­wagen von Berlin-Recy­cling, Tank­last­wagen und alles trifft hier zusammen.
Spazieren gehen möchte man hier nicht.

Wenn man dann die Putlitz­brücke betritt, bergauf, hat man das Gefühl, dass sich der Himmel öffnet. Die Gebäude rechts und links verschwinden langsam, dahinter auf beiden Seiten die Weite der Bahn­an­lagen. Der Blick in die Wohn­viertel von Stephan­kiez und Birken­straße. Und auf das große Wand­bild mit dem Jungen, der einen kleinen Elefanten schüt­zend im Arm hält. Es ist tatsäch­lich so, als würde man nun auf die Stadt zugehen.

Noch ist es zugig, so weit oben über den Gleisen. Aber wenn man die höchste Stelle über­schritten hat, vorbei an den Zugängen zur S‑Bahn, dem Depor­ta­ti­ons­mahnmal und den Abgängen zur Quit­zow­straße, taucht man tatsäch­lich ein. Dann betritt man zwischen den stei­nernen Figuren wie durch ein breites Tor das eigent­liche Moabit und ist sofort mitten im quir­ligen Leben. Einkaufs-Center, Birken­stube, Döner­läden, Moschee, Blumen­händler, Kneipe und dazwi­schen die vielen Leute. Was für ein leben­diges Bild, im Gegen­satz zur anderen Seite der Brücke.
Das Tor nach Moabit.

Foto: Skley, CC BY-ND 2.0

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