02 – Elektrisches Licht hatten wir noch nicht

Elek­tri­sche Beleuch­tung haben wir bekommen, da wohnten wir schon lange in der anderen Wohnung. Unge­fähr 1926 wurden da erst elek­tri­sche Leitungen gelegt. Es lagen nicht mal in der Straße elek­tri­sche Leitungen, die wurden erst nach dem 1. Welt­krieg dann irgend­wann gelegt, wurde die Haus­zu­lei­tung gemacht, wurden die Zulei­tungen auf den Treppen hoch­ge­legt, und da wurden dann erst in die Wohnungen die einzelnen Leitungen rein­ge­legt. Alles mit diesem soge­nannten Kuhlerohr, das ist so ein dickes Rohr, was so auf den Putz rauf­ge­legt wurde mit Schellen. Daran kann man sehen, dass das nach­träg­lich ange­bracht wurde.

Zu der Zeit war das in Moabit so: ich kann mich nicht erin­nern aus meiner Kinder­zeit, daß da in irgend­einer Wohnung schon elek­tri­sches Licht lag. Das müssten dann Häuser gewesen sein, die kurz vor dem 1. Welt­krieg gebaut worden sind, die größeren Wohnungen hatten, wo dann schon elek­tri­sche Leitungen gelegt worden sind. Aber unser Haus hatte schon Gaslei­tungen vom Bau aus hoch­ge­zogen. Es gab ja viele, wo auch die Gaslei­tungen nach­träg­lich ange­schlossen wurden.

Mein Vater war bei den Gaswerken, der machte so was. Erst als Helfer, und dann nachher hatte er so ne kleine Gruppe unter sich und hatte selber so einen Trupp, wie man so sagt. Und die waren unter­ge­bracht in der Markt­halle, und zwar von der Seite Bugen­ha­gen­straße, an dem großen Eingang da. Rechts und links. Auf der einen Seite war irgendein Büro, kann ich mich erin­nern, auf der anderen Seite waren die Arbeiter. Und gegen­über, da war damals so, na wie soll man sagen, so ein Abstell­platz, wo sie ihre Wagen und Geräte und so was alles hatten. Nachher war da eine Schule, da waren Bara­cken und all so was.

Später dann las mein Vater den Gasver­brauch ab und kassierte. Das wurde dann neu einge­führt. Mein Vater hatte sich dazu gemeldet und hat es dann auch bis Ende 1933 gemacht, dann ist er zwangs­weise pensio­niert worden, weil er Mitglied der Gewerk­schaft und der SPD war.

Ich hatte auch nach dem Krieg hier eine Zeit­lang Gasbe­leuch­tung drin gehabt, die hatte mir ein früherer Kollege meines Vaters, der hier im Neben­haus wohnte, einge­baut. Als immer Strom­sperren waren hier in Berlin, da hatte der mir das von meiner Leitung abge­zweigt und hatte mir die Gaslampe ange­schlossen. Die habe ich von meiner Schwä­gerin bekommen, die bei der Auer­ge­sell­schaft war, die hatte sie da mitge­bracht, und da hatte ich zumin­dest eine Gasbe­leuch­tung, wenn die auch nicht sehr hell war, aber ich hatte doch zumin­dest eine Leucht­quelle. Denn Licht und Kerzen oder so was kriegte man ja auch nicht .

Das Gaslicht funk­tio­niert mit einem Glüh­strumpf, und zwar gab es zu der Zeit Hänge­licht und Steh­licht, so wie eine Petro­le­um­lampe ist, mit einem Zylinder und unten ist ein Brenner drin, und da kam das Gas raus, und da wurde ein Glüh­strumpf drauf getan. Und dann gab es so stehende, die wurden gemacht aus Rami­garn, ich weiß das genau, ich habe nämlich mal welche gemacht nach dem Krieg für die Auer­ge­sell­schaft, die hat sowas herge­stellt.

Die wurden aus einem Strick gewirkt, gestrickt, und dann wurden sie aufge­zogen auf Sockel. Die wurden aus Steatit gemacht, da wurden die Glüh­strümpfe drauf getan. Und die wurden eben aus diesem Rami­garn gemacht; dann wurde das irgendwie präpa­riert, dann wurde es abge­brannt. Und wenn nun das Gas durch diese kleine Düse durchkam, wenn man das ansteckte, dann leuch­tete das eben. Dann wurde der Zylinder drauf­ge­steckt. Bei den stehenden Lampen waren es die langen Zylinder, wie bei einer Petro­le­um­lampe, und bei den hängenden, da waren das runde Zylinder, so flache, und da waren die Glüh­strümpfe auch nur kurz, während die anderen hoch standen. Das haben wir also gehabt bis 1926. In der Küche hatten wir ein Steh­licht und in dem einen Zimmer auch, im anderen hatten wir ein Hänge­licht, auf dem Korridor gab’s kein Licht, auf der Toilette gab’s auch kein Licht, da gab es eben keinen Anschluss.

Wir hatten jahre­lang auch Petro­leum gebrannt, weil es billiger war. Dann saß eben alles um die Petro­le­um­lampe herum. Das gab ja auch nicht viel Licht. Wir haben dabei gelesen, gestrickt, geredet, sind früh schlafen gegangen. Ich war ja zu der Zeit noch ein Kind und außerdem, kann ich mich erin­nern, während des Krieges 1914–18, daß bei uns im Hause so drei, vier Frauen des Abends dann immer in einer Wohnung zusam­men­saßen, um zu sparen. Wir Kinder lagen in den Betten und schliefen, und die haben zusammen gesessen und haben bei einer Lampe gestrickt und so was gemacht. Meis­tens doch gestrickt.

Einen eigenen Raum hatten wir nie. Es war ja so: An Persön­li­chem besaßen wir Kinder ja kaum was, das ging in einen Schuh­karton rein. Wir hatten auf dem Korridor ein Gestell, das hatte mein Vater ange­bracht. Da hingen oben die Sachen drin, war ein Vorhang drum, die Sachen, die wir für die Woche brauchten, Mäntel, Kleider, Röcke und was so war, und unten stand Mutters großer Reise­korb, früher hatten die Frauen und Männer doch solche Reise­körbe, worin sie ihre Schätze sammelten, wenn sie wo in Stel­lung waren oder zur Unter­miete wohnten oder irgend­sowas. Das war dann ihre einzige Kiste, wo sie ihre persön­li­chen Sachen aufhoben. Und darauf hatten wir dann jeder einen Schuh­karton zu stehen, worin wir unsere persön­li­chen Sachen hatten. Mehr war nicht.

Ich habe zwar eine Puppe irgend­wann gehabt, die ist dann kaputt gegangen, und dann wurde sie aber nicht wieder aufge­zogen, was weiß ich warum, weil es viel­leicht keiner machte. Dann habe ich bloß so mit kleinen Puppen gespielt.

Hilde­gard Schön­rock: Wir kamen gerade so hin
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