01 – Zu fünft in einem Zimmer

Ich bin 1910 in Moabit geboren, in der Olden­burger Straße. Aber wir sind dann bald nach meiner Geburt in die Emdener Straße gezogen, und da habe ich von 1911 bis 1934 gelebt, zuerst im Seiten­flügel in der Emdener Straße 25 und dann ab 1920 in der Emdener Straße 35. Da hatten wir dann eine Zwei-Zimmer­woh­nung. Wir waren fünf Personen, meine Eltern und drei Kinder. Wir lebten bis 1920 in einer Ein-Zimmer­woh­nung. Die Häuser stehen heute noch, wir haben vier Treppen gewohnt. Das war eine Wohnung mit einem Zimmer, das hatte unge­fähr 24 qm, eine Küche, die hatte viel­leicht 10 qm, da war ein kleiner Korridor und eine Toilette. Wir hatten damals aller­dings schon eine Innen­toi­lette, das war schon viel wert.
In dem Zimmer standen drei Betten, stand ein Sofa, stand ein Klei­der­schrank, ein Vertiko, Tisch, Stühle.

Meine Schwester und ich, wir schliefen zuerst noch in einem Kinder­bett. Nachher kaufte meine Mutter, das war während des Ersten Welt­krieges, ich kann fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein, da kaufte sie dann so ein Metall­bett, so ein weißes, ähnlich wie ein Kran­ken­haus­bett. Und dann schlief ich mit meiner Schwester da zusammen, Vater war ja zu der Zeit Soldat, mein Bruder schlief in dem anderen Bett bei meiner Mutter, und wenn Vater da war, dann schliefen sie zu dritt in den beiden Betten, noch bis 1920. Eine Möglich­keit, was anderes noch aufzu­stellen, war nicht. Weder Chai­se­longe, Falt­bett, noch sonst was. Man kam eben gerade so überall vorbei.

Und das ganze Leben spielte sich in der Küche ab. In dem Zimmer haben wir geschlafen, oder im Sommer oder wenn mal Besuch war, dann haben wir da mal drin gesessen. Aber gegessen und gespielt und alles so was, das wurde in der Küche gemacht. Die wurde ja als einziger Raum nur beheizt. Das Zimmer wurde so gut wie nicht geheizt. Es hatte einen großen Kachel­ofen, ließ sich gut heizen, aber es gab wenig Brenn­ma­te­rial, das war teuer. Und in der Küche wurde gleich­zeitig gekocht, wenn da geheizt wurde, da schlug man zwei Fliegen mit einer Klappe. Einen großen Gasherd hatten wir sowieso nicht. So einen Einloch­ko­cher hatte Mutter, da wurde dann nur mal Kaffee oder Milch warm­ge­macht, aber gekocht wurde eigent­lich auf dem Herd.

Neben dem Herd hatten wir einen kleinen Kinder­tisch, da hatten wir unsere drei Stühle drum, daneben stand der andere Tisch, soweit ich mich erin­nere. Auf der anderen Seite stand der Schrank – man hatte ja nicht solche großen Küchen­schränke, es war bloß ein schmaler Schrank. Dann ein Eimer­spint, das war ein halb­hoher Schrank, auf dem früher in den Wohnungen, die noch kein laufendes Wasser hatten, die Eimer dafür standen.
Wir hatten flie­ßendes Wasser und auch Gasbe­leuch­tung zu der Zeit schon. Es gab ja viele Leute, die noch nicht mal Gasbe­leuch­tung hatten.

Hilde­gard Schön­rock: Wir kamen gerade so hin
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