Warmer Otto

Wohl dem, der abends in seine Wohnung kommen kann, eine Küche sein eigen nennt, sich unter die warme Dusche stellen kann. Tausende in Berlin können das nicht, sie sind obdachlos oder haben im besten Fall jemanden, bei dem sie vorüber­ge­hend unter­kommen. Doch ein Mensch braucht einen Ort, an den er sich zurück­ziehen kann, an dem er zuhause ist.

Der Warme Otto an der Stra­ßen­ecke Rosto­cker / Witt­sto­cker Straße war bis Ende 2021 eine Tages­stätte, die wenigs­tens einen Teil der Not lindern half. Hier konnte man ohne Scheu herein­kommen, man bekam Essen und Trinken, konnte duschen und auf die Toilette gehen. Wer seine Wäsche waschen und trocknen musste, konnte dies hier tun, er oder sie bekam Hilfe bei der Korre­spon­denz mit Ämtern, notfalls auch ein Gespräch mit einem Psycho­logen. Sozi­al­ar­beiter, die auch polnisch oder russisch spre­chen, halfen den Besu­che­rInnen, berieten sie, führten mit ihnen nötige Tele­fo­nate.
Es gab auch Schließ­fä­cher, in denen man seine wich­tigsten Papiere oder Habse­lig­keiten sicher verwahren konnte.

Begonnen hat es bereits Mitte der 1980er Jahre. Ein Pfarrer der Heilands­kirche rich­tete im Gemein­de­haus in der Otto­straße eine Wärme­stube ein. Daraus entwi­ckelte sich ein wich­tiger Anlauf­punkt für Menschen, die es auf die Straße verschlagen hat. Im Warmen Otto finden sie einen Ort zum Reden, um soziale Kontakte zu pflegen, die eigene Einsam­keit wenigs­tens ein biss­chen zu verdrängen. Das Leben auf der Straße ist unmensch­lich, da tut es gut, dem mal für ein, zwei Stunden zu entkommen.

Rund ein Drittel der Besu­cher waren „Stamm­kunden“, andere auf der Durch­reise von irgendwo nach irgendwo anders. Manche kamen auch nur ab und zu vorbei, wenn das Geld mal wieder nicht reichte, um satt zu werden. Mitten im Kiez der Rosto­cker Straße, dort wo schon immer die Ärmeren gelebt haben, bot die Einrich­tung täglich bis zu 100 Menschen einen Anlauf­punkt. Die Ange­stellten und Ehren­amt­li­chen waren offen für alle, die Hilfe brauchten. Sei es auch nur für ein kurzes Gespräch, eine Fahr­karte oder eine neue Hose. In der Klei­der­kammer fand man eine Jacke, ein Paar Schuhe.

Leider hat die Stadt­mis­sion als Betreiber den Tages­dienst im Warmen Otto aus finan­zi­ellen Gründen einge­stellt, die Besu­che­rInnen sollen nun zum Haupt­bahnhof oder zum Alex­an­der­platz.

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