Der Krieg in Moabit

Auch wenn in der ganzen Welt Menschen von Bomben zerfetzt werden – man sieht vor allem das eigene Unglück und begreift nicht, dass man dabei nur ein winziger Teil der Kata­strophe ist. Im Zweiten Welt­krieg kam dazu, dass die Menschen wussten, an diesem Unglück mit schuldig zu sein. Jeden­falls dieje­nigen, die nichts dagegen getan hatten, dass die NSDAP Anfang der 1930er Jahre immer stärker wurde. Deren Opfer waren ja nur die anderen – Juden, Kommu­nisten, später ganze Völker.

Doch der Krieg der Nazis kam irgend­wann nach Deutsch­land zurück und Moabit lag im Zentrum der Angriffe. Im dama­ligen Bezirk Tier­garten wurden rund 50 Prozent der Gebäude durch Flie­ger­bomben schwer beschä­digt oder komplett zerstört.

Moabit war nicht nur aufgrund der Nähe zum Regie­rungs­viertel von den Bombar­die­rungen aus der Luft beson­ders betroffen. Hier befanden sich auch mehrere mili­tä­ri­sche Einrich­tungen, die Kasernen, die Bahn­gleise. In den letzten drei Monaten des „Tausend­jäh­rigen Reichs“ waren die Angriffe aus der Luft beson­ders heftig. Von Moabit ausge­hend wurde am 3. Februar 1945 ein Bomben­tep­pich bis zum Kreuz­berger Moritz­platz gelegt. 940 briti­sche und US-ameri­ka­ni­sche Bomber warfen inner­halb von nur 50 Minuten über 2.200 Tonnen Spreng- und Brand­bomben ab. Es wird geschätzt, dass bei diesem Angriff bis zu 25.000 Menschen ums Leben kamen. Gemessen an dieser Zahl war es der schwerste Luft­an­griff auf Berlin. Unter den Opfern waren auch in Moabit viele Häft­linge und Zwangs­ar­beiter, denen der Schutz durch Luft­schutz­ein­rich­tungen gene­rell verwehrt wurde.

Im Osten Moabits sind ganze Stra­ßen­züge vernichtet worden, man erkennt das heute gut an den Nach­kriegs­bauten.

Ende April rückte dann die Rote Armee von Norden kommend in Moabit ein, um zum Reichstag durch­zu­bre­chen. Am 25.4.1945 hatte die russi­sche Armee das Gefängnis und die Hinrich­tungs­stätte Plöt­zensee einge­nommen, stieß aber am West­ha­fen­kanal noch auf Wider­stand der Deut­schen Wehr­macht. Mit starker Unter­stüt­zung der sowje­ti­schen Luft­flotte wurde der Kanal über­wunden, bis zum Abend war ein großer Teil von Moabit in russi­scher Hand.

Trotzdem gab es noch verblen­dete Nazis, sogar Jugend­liche, die ihre Nieder­lage nicht akzep­tieren wollten. Als russi­sche Soldaten in den Keller des Hauses Alt-Moabit 85 eindrangen, warf ein Jugend­li­cher eine Hand­gra­nate hinterher und flüch­tete. Ein Soldat starb. Die anderen nahmen Rache an den Haus­be­woh­nern: Wer nicht vor Ort erschossen wurde, den brachten sie nach Plöt­zensee. Das Haus, das den Krieg über­standen hatte, wurde ange­zündet.

Am selben Tag setzte die deut­sche Mili­tär­füh­rung nun die soge­nannten Wlassow-Einheiten ein. Dies waren Soldaten und Emigranten aus nicht-russi­schen Teilen der Sowjet­union, die sich mit den Nazis verbündet hatten. Außerdem zwangs­weise Kriegs­ge­fan­gene und Zwangs­ar­beiter. Durch ihren Einsatz dauerte es nochmal drei Tage, bis die Rote Armee Moabit komplett kontrol­lierte. Die russi­sche Armee versuchte zum Reichstag durch­zu­bre­chen. Da der Lehrter Güter­bahnhof noch nicht erobert war, kam es von dort zu starkem Wider­stand. Erst in der Nacht zum 29. April gelang es, die durch Barri­kaden blockierte und teil­weise zerstörte Molt­ke­brücke am Ende der Straße Alt-Moabit zu erobern.

Foto: Bundes­ar­chiv, Bild 183-j31345, CC-BY-SA 3.0

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