Wie man sich eine Ehrung erschleicht

Gestern wurde dem Moabiter Thomas Abel durch den Bürger­meister von Mitte ein Verdienst­kreuz der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land verliehen. Und zwar für dessen „heraus­ra­gendes Enga­ge­ment“ in der Gedenk­ar­beit in Bezug auf den Holo­caust und den Depor­ta­ti­ons­bahnhof in der Quit­zow­straße. Beson­ders wird sein Verein Gleis 69 genannt, obwohl der erst 2018 gegründet wurde, nachdem der Gedenkort am eins­tigen Bahnhof längst exis­tierte.

Tatsäch­lich war es seit 2015 der Verein „Sie waren Nach­barn“ und insbe­son­dere davor schon jahre­lang andere Bürge­rInnen, die sich um die Schaf­fung einer würdigen Gedenk­stelle an dem Ort einsetzten, von dem die meisten Berliner Holo­caust­opfer in den Tod geschickt wurden. Thomas Abel war selbst einst in diesem Verein aktiv. Aller­dings hatte man den Eindruck, dass es ihm vor allem um die Kontakte und Infor­ma­tionen ging. Damit grün­dete er dann einen eigenen Verein, der jedoch von Akti­visten als Fake betrachtet wird.

Abel fällt seit Jahren vor allem damit auf, dass er sich selbst insze­niert und wichtig macht. Etliche ehema­lige Mitstrei­te­rInnen sehen ihn als Blender, dem es vor allem um persön­li­chen Ruhm und Ehre geht. Darunter auch so einige, die teil­weise seit vielen Jahren in der Moabiter Gedenk­ar­beit aktiv sind und heute mit ihm nichts mehr zu tun haben wollen.
Auf seiner Website gab und gibt Abel mit Kontakten und angeb­li­chen Koope­ra­ti­ons­part­nern an, die gar nichts davon wissen. Bei Fach­ver­an­stal­tungen verbreitet er Infor­ma­tionen, die nach­weis­lich falsch sind.

Leider hat sich offenbar auch der Bürger­meister von Mitte, Stephan von Dassel, davon blenden lassen. Er behauptet in einer Pres­se­mit­tei­lung ernst­haft, dass ohne Abels „hart­nä­ckiges und aufklä­re­ri­sches Enga­ge­ment“ ein wich­tiger Teil der Bezirks­ge­schichte uner­zählt geblieben wäre. Durch diese Aussage wird die anti­fa­schis­ti­sche Arbeit von Gruppen wie der VVN, „Sie waren Nach­barn“ und „Ihr letzter Weg“ diskre­di­tiert. Gerade diese Bürger­initia­tiven sind z.B. im vergan­genen Jahr mit einem Audio­walk zum Depor­ta­ti­onsweg oder vor wenigen Wochen einer anti­fa­schis­ti­schen Plakat­kam­pagne aktiv geworden. Andere haben bereits vor vielen Jahren die Geschichte der Shoah im Bezirk aufge­ar­beitet, sie auf Veran­stal­tungen und in Büchern bekannt gemacht.

Es ist eine Pein­lich­keit, dass solchen Menschen wie Thomas Abel eine Ehrung zuteil wird, die man nur als erschli­chen bezeichnen kann. Zumal Herr Dassel noch vor der Ehrung über das Vorgehen Abels unter­richtet wurde, sich aber offenbar nicht daran störte. Dies alles stellt auch den Wert einer solchen Auszeich­nung infrage, wenn es im Vorfeld offenbar keine Recherche zum Empfänger gibt.

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