Zum Widerruf der Genehmigung der Friedensstatue zur Zwangsprostitution
Sehr geehrter Herr Bezirksbürgermeister,
liest man Ihre Pressemitteilung, dann fragt man sich, wie tief einzelne Politiker wohl noch sinken können! Haben Sie vergessen, daß „wir“ aufgrund des Übereinkommens der damaligen Achsenmächte Japan, Italien und Deutschland formal Mitbeteiligter dieses Krieges waren, weil nach der Bombardierung Pearl Harbors Deutschland den USA ebenfalls den Krieg erklärt hatte? Damit haben wir auch das Recht, uns in dieser Frage zu äußern! Der Text an der Statue ist sehr knapp und so gut wie nicht wertend – wenn schon dies die japanischen Nationalisten und Militaristen in Wallung bringt, dann zeigt das um so mehr, wie wichtig es ist, hier klar Stellung zu beziehen. Wenn „wir“ uns aus historischen Konflikten anderer Staaten heraushalten sollen, warum hat dann der Bundstag eine Resolution zu Armenien beschlossen, obwohl es im Vorfeld Druck aus Ankara gegeben hatte? Wie ernst kann man all die Verlautbarungen gegen die Genitalverstümmelung von Frauen nehmen, wenn auf den Fingerzeig einer fremden ausländischen Macht das Benennen eines fürchterlichen Verbrechens gegen Frauen unterbunden wird? Wie ernst kann man diese ganzen Gendersternchen und Gender‑I nehmen, wenn das Kriegsverbrechen der Zwangsprostitution nicht benannt werden darf? Wie ernst soll man die Beteuerungen zu einem kommunalen Wahlrecht für Ausländer nehmen, wenn es Menschen mit ausländischen Wurzeln, die zum Teil die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, untersagt werden soll, öffentlich auf Kriegsverbrechen hinzuweisen? Wie ernst sind dann unsere Solidaritätsbekundungen zu den vor allem von mutigen Frauen getragenen Protesten gegen die Wahlfälschungen in Belorußland zu nehmen?
Herr Bezirksbürgermeister, bei der benannten Zwangsprostitution von jungen Frauen und halben Kindern handelt es sich nicht um irgendwelche „zwischenstaatlichen und insbesondere historischen Konflikte“, sondern um Kriegsverbrechen, die durchaus mit denen der Wehrmacht in den von Deutschland besetzten Gebieten vergleichbar sind! Wir stellen uns unserer Geschichte, es wäre angebrachter, wenn auch Sie ihren Beitrag dazu leisten würden, daß auch unser damaliger und heutiger Verbündeter einen solchen Schritt der Versöhnung und des Friedens beschreitet, anstatt seine Nachbarn zu behandeln, als wären sie heute noch Besiegte. Artikel 1 unseres Grundgesetzes sagt eindeutig:
„(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“
Ich erwarte auch von Ihnen als Bezirksbürgermeister, daß sie sich in dieser Form engagieren und nicht vor fremden ausländischen Nationalisten kuschen!
Gerade die Aussöhnung mit dem ehemaligen „Erbfeind“ Frankreich zeigt, wie es anders gehen kann. Warum mischen Sie sich nicht in die inneren Angelegenheiten Japans ein und zeigen auf, wie es besser gehen könnte, wenn man nur wollte? Auch die Arbeit des Volksbundes deutscher Kriegsgräberfürsorge zeigt besonders bei Umbettungen und Neuanlage von Kriegsgräberfriedhöfen in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, daß ehemalige Kriegsgegner durchaus wieder miteinander reden und zusammenarbeiten können – das Motto des Volksbundes lautet: „Versöhnung über den Gräbern“. Warum mischen Sie sich nicht auch diesbezüglich in die inneren Angelegenheiten Japans ein und zeigen auf, wie es anders gehen kann, als die nichtjapanischen Soldaten der japanischen Armee ihren Angehörigen zu entreißen und sie in diesem unsäglichen Yasukuni-Schrein für eine ihnen fremde Religion zu mißbrauchen? Selbst die früher extrem nationalistisch eingestellten Vertriebenenverbände haben heutzutage in etlichen Fällen zur Zusammenarbeit zwischen ehemaligen Feinden gefunden, zum Beispiel im ehemaligen Ostpreußen. 75 Jahre nach Kriegsende ist es zwar schon spät, aber nicht zu spät, das Ruder herumzureißen und den Weg des Friedens und der Aussöhnung zu beschreiten. Dies hätte ich vor allem von einem Mitleid der Partei erwartet, die sich früher als das parlamentarisches Standbein der Friedenbewegung bezeichnet hatte – und die so viele Anträge auch in Bezirksverordnetenversammlungen eingebracht hatte, die von den damals als „etabliert“ bezeichneten Parteien mit Formulierungen abgetan worden sind, die Sie jetzt in Ihrer Pressemitteilung verwenden!
Diese Zeilen schreibt Ihnen ein Moabiter, der seit Anfang der achtziger Jahre in der Friedensbewegung aktiv ist und sich auch z.B. im Rahmen des Gedenkortes Güterbahnhof Moabit für die Aufarbeitung deutscher Geschichte einsetzt.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Szagun