Das Hansa-Theater

Moabit hat auch eine eigene Thea­ter­ge­schichte. Das berühm­teste Haus war wohl das Hansa-Theater, Alt-Moabit 48. Auf der Thea­ter­bühne standen Stars wie die noch junge Marlene Diet­rich, Heinz Erhardt, Paul Esser, Herbert Fritsch, Harald Juhnke, Brigitte Mira, Edith Hancke, Ilja Richter und viele andere.

Bis in die 1980er Jahre war es eines der bekann­testen Boule­vard­theater West-Berlins. Als Theater genutzt wurde der Bau zwischen 1888 und 1912 sowie von 1963 bis 2009. Von 1923 bis 1961 beher­bergte es ein Kino.

1888 erhielt die Berliner Kronen-Brauerei einen Bauschein für ein Saal­ge­bäude mit 424 Sitz­plätzen und 1.364 Steh­plätzen. Da zu dieser Zeit die Kombi­na­tion von Braue­rei­an­lagen mit „Einrich­tungen, die dem Bier­konsum dienten“ üblich waren, wurde dieser Fest­saal sowohl für gesel­lige als auch für poli­ti­sche Veran­stal­tungen genutzt, bis er kurze Zeit später, 1889, als Stadt­theater Moabit dekla­riert wurde.

Der Fest­saal, aus dem später das Hansa-Theater entstand, hatte eine künst­le­ri­sche Exis­tenz abseits der haupt­städ­ti­schen Thea­ter­kritik. 1914 schrieb ein Zeit­ge­nosse:

“Das Publikum fühlt sich behag­lich, verzehrt sein mitge­brachtes Abend­brot während der Pausen, wozu Kellner Bier reichen. Bieten diese Theater auch dem verwöhn­teren Geschmack keine künst­le­ri­schen Eindrücke, so sind sie inter­es­santer für das Studium gewisser Volks­kreise. Es fällt ange­nehm auf, dass in diesen Thea­tern der Ton zwar ein derber ist und die Dinge häufig bei einem sehr deut­li­chen Namen genannt werden, dass aber die Zote ausge­schaltet ist.”

Neben Possen, Schwänken, Burlesken und sogar Sing­spielen und Operetten fanden Stücke zeit­ge­nös­si­scher Autoren den Weg auf die Bühne.

Als der Film populär wurde, folgte man diesem Boom und baute 1923 das Theater zum Film­pa­last Hansa mit 800 Plätzen um. Dass das Kino nach dem Nieder­gang des Films vor dem Dasein eines Super­marktes bewahrt wurde, ist der Initia­tive eines Mannes zu verdanken: Paul Esser, der 1963 ohne finan­zi­elle Unter­stüt­zung der Stadt sein Schau­spiel­haus Hansa grün­dete. Seine künst­le­ri­schen Ambi­tionen und Ansprüche lagen zwischen Boule­vard- und Staats­theater. Doch bald hatte er mit dem Volks­theater eine Markt­lücke in der Berliner Thea­ter­szene und damit den rich­tigen Stil für Moabit gefunden. 1974 wurde das Schau­spiel­haus Hansa volks­tüm­lich in Hansa-Theater umbe­nannt.

1981 endete nach 19 Jahren die Ära Esser. Das Theater wurde an den Schau­spieler und Regis­seur Horst Nien­dorf über­geben, der es auf der von Esser einge­schla­genen Linie erfolg­reich weiter­führte. Schwänke, Lust­spiele, Komö­dien gehörten genauso zum Spiel­plan wie Auftrags­pro­duk­tionen über aktu­elle Themen oder berlin­be­zo­gene Stücke sowie die Aufar­bei­tung der Berliner Geschichte, zum Beispiel mit „Kaiser vom Alex­an­der­platz“. Unter Nien­dorf erlebte das Hansa-Theater eine weitere Blüte.

In den 1990ern änderte sich die Lage in der post­mo­dernen Haupt­stadt. Das Volks­theater verschwand aus dem Bewusst­sein der Berliner und wurde mehr und mehr zum Fremd­körper in der Stadt. Der Staub vergan­gener Epochen lastete auf dem tradi­ti­ons­rei­chen Haus. Ein jüngeres Publikum fand sich im Hansa-Theater nicht ein. Die Gründe sind viel­fältig. Volks­theater war stets ein Spiegel der Zeit. Der Draht zum Publikum ging allmäh­lich verloren. Zehn Jahre später ein letztes Aufbäumen. Mit „Heinz Rühmann – Der Clown“ feierte das frisch reno­vierte Haus nochmal einen großen Erfolg. Danach folgten mehrere Betreiber, Inten­danten und Konzepte. Das Volks­theater konnte sich nicht mehr durch­setzen, bis es 2009 endgültig geschlossen wurde. 2020 erfolgte, unbe­merkt von der Öffent­lich­keit, der Abriss des tradi­ti­ons­rei­chen Hansa-Thea­ters.

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